Gesellschaft braucht Daten – nicht zuletzt, um politische Prozesse und Maßnahmen zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Im Sinne eines Qualitätsmanagements der Politik und vor dem Hintergrund demokratischer Legitimation und Verantwortung spielt die Evidenzbasierung neuer Vorhaben und die Evaluierung umgesetzter Politikmaßnahmen eine zunehmend wichtigere Rolle. Internationale Erfahrungen und Initiativen sind Beleg hierfür.
In Deutschland verankerten die Staatssekretäre deutscher Bundesministerien im Jahr 2013 Anforderungen für Evaluationen durch einen Beschluss: Wesentliche Regelungsvorhaben, mit hohem finanziellen Aufwand, besonderer politischer Bedeutung oder Unsicherheit über die Wirkung sind nach 3-5 Jahren zu evaluieren. „Wesentlich“ sind Maßnahmen von mehr als 1 Mio. Euro Erfüllungsaufwand bzw. über 100.000 Stunden anfallenden Personaleinsatzes durch die Maßnahme pro Jahr. Evaluierungen sollen den Zusammenhang zwischen Ziel und Zweck von Regelungen und tatsächlich erzielter Wirkung und Kosten feststellen. Evaluierungskriterien sind die Erreichung der Ziele einer Regelung, Abschätzung von Nebenfolgen, Akzeptanz und Praktikabilität, sowie Verhältnismäßigkeit einer Regelung. Das jeweilige Ressort bestimmt Ziel, Art, Tiefe und Umfang der Evaluierung. Die Ressorts leiten die Evaluierungsberichte an den nationalen Normenkontrollrat und den Koordinator der Bundesregierung im Bundeskanzleramt weiter. Der Beschluss der Staatssekretäre wurde von der Bundesregierung im Arbeitsprogramm „Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau 2018“ bestätigt. Mit diesem Programm sollen die Evaluationsverfahren weiterentwickelt werden.
Dieses Panel beleuchtet den Stand der Umsetzung von verschiedenen Seiten. Vertreterinnen und Vertreter von Bundeskanzleramt und Normenkontrollrat berichten über die Möglichkeiten und Herausforderungen einer Harmonisierung der Verfahren. Aus den Ressorts werden verschiedene Formen der Herangehensweise dargestellt und ein Bericht aus den Wirtschaftsforschungsinstituten der Leibniz Gemeinschaft ergänzt, wie die Wissenschaft die Ressorts bei der Bewältigung dieser Aufgaben unterstützen kann.
Ergebnis
Eine Einbettung von Evidenzbasierung spiele, so der Tenor dieser Session, in allen Gesetzgebungsverfahren eine zunehmende Rolle. Dabei werde nicht nur ex ante, also im Vorhinein versucht abzuschätzen, welche Folgen eine Gesetzgebung hat, sondern auch ex post der Output untersucht. Hierzu sei es erforderlich, dass die Frage, anhand welcher Kriterien ein Erfolg von Gesetzen überprüft werden kann, von Anfang an mitbedacht wird. „An sich muss zum Beginn der Evaluation bekannt sein, welche Daten erforderlich sind“, so Professor Bauer von der Ruhr Universität Bochum. Juristen müssten hierzu verstärkt auch methodisch-empirisch geschult werden. Wolle man Evaluation und Evidenzbasierung in der Politik als neues Ausbildungsfach in der Lehre der Universitäten etablieren, wäre es allerdings notwendig, hier auch eine Selbstreflexivität einzuweben: Man sollte auch nach der Evidenz der evidenzbasierten Politik fragen. Andrea Schneider vom Bundeskanzleramt, forderte ein Mehr an Dialog und Übersetzungsleistung zwischen Verwaltung, Politik und Wissenschaft und auch verbesserte Anreizstrukturen für die Wissenschaft, Evaluationen und Politikberatung durchzuführen.
Insgesamt wurde in Frage gestellt, ob eine umfangreiche Evaluation immer möglich sei: Teilweise seien Umsetzungszeiten sehr kurz, Vorgaben änderten sich beispielsweise bei längeren Vorhaben, während derer sich Regierungskonstellationen ändern, und die Kosten für die Evaluationen selbst dürften nicht unterschätzt werden. Zeit und Geld seien damit entscheidende Rahmengrößen. Allein die Evaluation der Arbeitsmarktpolitik habe rund 10 Millionen Euro gekostet, so Michael Vollert, Referatsleiter im Bundesministerium für Arbeit. Eine solche Evaluation ließe sich nur für Leuchtturmprojekte realisieren.
Schwierig sei es auch, darauf wies Florian Spengler von Seiten des Normenkontrollrats hin, konkrete Evaluationsvorgaben in die Gesetzesentwürfe einzuflechten, da jede Gesetzesänderung ohnehin einem enormen Abstimmungsbedarf unterliegen. Schnell entstehe die Sorge bei den Ministerien, dass ein Gesetz durch Evaluation in Frage gestellt werden könne und dadurch ein mühsam ausgehandelter Kompromiss obsolet werden könne.
Hervorgehoben wurde in der Session, dass Evaluation allerdings nicht die politische Entscheidung ersetzen dürfe. Die Werteentscheidungen, welche Ziele gesetzt und überprüft werden sollen, bliebe Sache der Politik.